Ausschneide-Bogen gehören seit vielen Jahren zum Programm des Aue-Verlags (Möckmühl, Stuttgart). Es sind einerseits die weltweit bekannten Schreiber-Bogen, andererseits Modelle zum Ausschneiden und Zusammenkleben für Schulen und Kirchen.
Der Verlag J. F. Schreiber wurde von Jakob Ferdinand Schreiber gegründet, der 1831 mit einer lithographischen Druckerei begann. Er hatte ein pädagogisch und religiös geprägtes Profil. Seine Titel waren in Schulen sehr geachtet. Erst Jahrzehnte nach der Gründung fanden Kartonmodelle Aufnahme ins Verlagsprogramm. Über die Anfänge der Kartonmodelle schreibt Dieter Nievergelt in seinem lesenswerten Werk „Architektur aus Papier“: „1873-1877 schuf Emil Roth in Stuttgart 50 Modellbaubogen mit aktuellen Bauten. ... Roths Lithosteine [mit denen man druckte] wurden 1877 zum Grundstock der bis heute existierenden Modellbaubogen-Produktion von J. F. Schreiber in Esslingen. ... Zunächst druckte Schreiber von den Rothschen Steinen, begann aber bald mit eigenen herausragenden Mehrfarbenlithographien, die zum Teil noch zusätzlich schablonenkoloriert wurden. ... Schreibers Modellbaubogen waren der Konkurrenz an künstlerischer Qualität und Präzision der Konstruktion meistens ebenbürtig, wenn nicht gar voraus.“ (S. 24) Es bildete sich nach und nach ein breites Programm an Papiertheatern, Puppenbogen, Weihnachtskrippen, Gebäuden und technischen Modellen (Schiffe, Flugzeuge, Luftschiffe usw.).
Zielgruppe der Modellbaubogen waren besonders Kinder, denen man mit den Modellbaubogen günstiges und pädagogisch wertvolles Spielzeug an die Hand geben wollte. Immer wieder versuchte man, durch aktuelle Themen das Interesse zu wecken und wach zu halten. Ein interessantes Beispiel dafür ist das Reichstagsgebäude in Berlin. Schon bevor es 1894 fertig gestellt war, kam Schreiber 1887 mit einem Modellbaubogen zu dem Bau auf den Markt. Noch einmal Dieter Nievergelt: „Die Qualität des Bogens wird im Vergleich mit ‚Das neue deutsche Reichstagsgebäude’ von Adolf Engel sehr deutlich. Dieser begnügt sich mit einer wirkungsmäßigen Übereinstimmung, wogegen bei J. F. Schreiber die massstäbliche Umsetzung des Vorbilds angestrebt wird.“ Rund ein Jahrhundert später wiederholen sich die Dinge: Bevor Sir Norman Foster die grundlegenden Umbauarbeiten am derzeitigen Reichstagsgebäude beendete, bot Schreiber den Bau mit der Kuppel schon 1998 als Papiermodell an.
Kontinuität zeigte Schreiber bei seinem Verlagsstandort: Bis 1972 blieb er in seinem Verlagsgebäude in der Schelztorstraße in Esslingen. (Seit einigen Jahren ist er unter dem Namen Esslinger Verlag J. F. Schreiber wieder in die Stadt zurückgekehrt.)
Bis in die 1980er Jahre wird der Verlag von Mitgliedern der Familie Schreiber geleitet und von Generation zu Generation weitergereicht – bis sich kein Nachfolger mehr in der Familie findet. Der Verlag wird verkauft an die Verlagsgruppe Ernst Klett. Danach wird das Kernprofil des Verlagsprogramms gestärkt: der Kinderbuchbereich. Hatte man mit Meggendorfers Wurzelkindern schon einen Titel von einzigartigem Rang im Programm, stärkte man diesen Bereich durch Übernahmen wie z.B. Hahn’s Verlag mit seiner Häschenschule. Andere Bereiche wurden dagegen abgegeben wie die wunderbar gestalteten Lehrtafeln. In diesem Zusammenhang konnte der unabhängige Aue-Verlag im Jahr 1998 das Programm der Schreiber-Bogen übernehmen.
Tragende Titel im Programm sind Gebäude wie Schloss Neuschwanstein, Kölner Dom, Frauenkirche Dresden, Berliner Reichstag, Eiffelturm in Paris und das Kolosseum in Rom.
Auch der Bereich Schiffe ist bei den Schreiber-Bogen gut vertreten. Nach wie vor sehr gefragt ist das Modell der legendären Titanic. In den letzten Jahren wurde konsequent die Linie der „Holzschiffe aus Papier“ weiterentwickelt. Von der eleganten ägyptischen Totenbarke über ein Fischerboot vom See Genezareth aus der Zeit von Jesus über das römische Frachtschiff und die mittelalterliche Hanse-Kogge bis zum Fischkutter aus dem 20. Jahrhundert reicht der Bogen dieser erfolgreichen Schiffe.
Einige dieser Holzschiffe sind im Maßstab 1:100 gehalten, mit der Folge, dass sich einerseits auch kleine Schiffe in ansprechender Größe und mit allen Details als Modell darstellen lassen. Gleichzeitig sind Schiffe mit diesem Maßstab auch auf Modellbahnanlagen einsetzbar. Überhaupt ist der Modellbahnbereich für die Schreiber-Bogen in den letzten Jahren immer wichtige geworden. Für die Spur HO sind z.B. mit einem Wasserturm, der Villa Braun in Metzingen oder der Götzenburg Möckmühl als Hintergrund Modelle entstanden, die mit ihrem realistischen Design auch die Ansprüche der Modellbahner befriedigen.
Das Spektrum der Flugzeuge reicht von dem frühen Lilienthal-Gleiter über viele Oldtimer und spätere Passagierflugzeuge bis hin zu modernen Flugzeugen wie der Concorde. Sehr gefragt sind die verschiedenen Luftschiffe wie Graf Zeppelin oder Hindenburg. Unter den Fahrzeugen wären etwa der beliebte VW-Bus, Opel Blitz oder der Mini-Cooper nennen.
Trotz aller Veränderungen stoßen gerade auch Reprints alter Vorlagen auf großes Interesse. Da gibt es die wunderschönen Krippen aus der Zeit der Jahrhundertwende, aber auch Gebäudemodelle wie das Modell des Schlosses Hohenzollern in Sigmaringen aus dem Jahr 1892, historische Puppenbogen, ein wunderschönes BMW-Motorrad mit Seitenwagen aus den Dreißiger Jahren und der KdF-Wagen als Vorgänger des VW-Käfers, wie überhaupt Kartonmodelle besonders mit historischen Motiven verbunden werden.
Und noch ein Anliegen ist über die Jahrzehnte erhalten geblieben und heute aktueller denn je: Kindern eine Alternative zu bieten, ihre motorischen Fähigkeiten zu entwickeln und Geduld und Ausdauer zu trainieren. So wird auch der Kinderbereich kontinuierlich ausgebaut. Tierfiguren, Märchenmotive, Puppenbogen – alles auch heute sehr beliebt.
Die konsequente Entwicklung der Schreiber-Bogen über mehr als 120 Jahre hat diese Modellbaubogen zu dem gemacht, was sie heute sind: das älteste und weltweit wohl umfangreichste Programm, das für Generationen zum Inbegriff vom Modellbaubogen schlechthin geworden ist.
Der Aue-Verlag, 1915 gegründet, hatte sich in der Nachkriegszeit unter anderem ebenfalls mit Kartonmodellen beschäftigt, dies aber ausschließlich für den Kinderbereich mit der Zielgruppe Schulen und Kirchen. Zu diesen Modellen gehören z.B. Kirche, Kloster, Synagoge, Moschee, verschiedene Tempel, ein römisches Handelsschiff, das Ischtartor in Babylon und der Pergamonaltar. Der jährliche Kinderkalender bringt für jeden Monat eine Bastelarbeit zu christlichen Themen. Eine Spezialität des Verlags sind die Transparentbilder, die ausgeschnitten und mit Transparentpapier hinterklebt werden. Für die Weihnachtszeit sind eine ganze Reihe von solchen Fensterbildern oder Laternen im Programm.
Auch der Aue-Verlag wird seit Jahrzehnten von Familienmitgliedern geführt – heute in dritter Generation. Hier passte sich das Programm der Schreiber-Bogen ideal ein, das sich in den letzten Jahrzehnten von einem Kinderprogramm zunehmend und inzwischen überwiegend zu einem Erwachsenenprogramm entwickelt hatte. Mit neuem Schwung werden Modelle von den bewährten Konstrukteuren entwickelt. Gleichzeitig werden die bestehenden Titel kontinuierlich bearbeitet, in Details verbessert und mit neuen Bauanleitungen versehen, um das bereits erreichte Qualitätsniveau weiter zu steigern.
Quelle: Aue-Verlag, Schottstraße 52, 70192 Stuttgart